Freitag, 6. Dezember 2013

Lohnfortzahlung nach mutwilliger Selbstverletzung



Wer cholerische Arbeitnehmer beschäftigt durfte sich wohl schon über die eine oder andere Entgleisung ärgern. Demnächst kann er sich auch über die Toleranz der Rechtsprechung in solchen Fällen wundern.

Im dem vom Gericht am 23.07.2013 entschiedenen Fall, klagte ein Warenauffüller eines Baumarkts gegen seinen Arbeitgeber auf Entgeldfortzahlung. Der Kläger fuhr einen Gabelstapler mit einem selbst angebrachten provisorischen Plexiglasdach als Wetterschutz. Der betriebliche Sicherheitsbeauftragte hielt den Kläger zum Abbau des Daches an. Darüber geriet der Kläger derart in Wut, dass er zunächst mit Verpackungsmaterial um sich warf. Anschließend schlug er dreimal mit der Faust auf ein in der Nähe aufgestelltes Verkaufsschild aus Hohlkammerschaumstoff, welche auf einer Holzstrebe montiert war. Dabei brach sich er die rechte Hand. Vom 9. August bis 19. September 2012 war der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Entgeldfortzahlung in Höhe von 2.662,52 € brutto, verweigerte seine Arbeitgeberin. Schließlich habe der Kläger sich seine Verletzung vorsätzlich herbeigeführt. Spätestens nach dem ersten Schlag habe er die Holzstrebe spüren müssen. Trotzdem habe er voller Wut weiter auf das Verkaufsschild eingeschlagen.

Dies sah das Gericht anders. Eine Verweigerung der Entgeltfortzahlung setze grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus. Im Arbeitsrecht unterliegen die Parteien einem starken wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis, das besondere gegenseitige Sorgfaltspflichten auferlegt. Grobe Fahrlässigkeit liegt hier nur dann vor, wenn ganz naheliegende Sorgfaltsregeln, die in der gegebenen Situation "jeder" befolgt hätte, außer acht gelassen wurden. Der Verstoß muss also sehr krass sein, oder wie das BAG es einst sehr anschaulich formulierte „Man muss förmlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn man von dem Hergang des Schadensereignisses erfährt.“

Ein Arbeitnehmer, der aus Wut auf ein Schild schlägt und sich dabei die Hand bricht, verletzt sich nicht mutwillig. Ein solches Verhalten sei nach Ansicht des LAG noch nicht krass genug. Der Armbruch sei als Folge des cholerischen Anfalls lediglich leicht fahrlässig herbeigeführt worden. Der Anspruch ist begründet.